Oenothera biennis. Nachtkerze. Oenotheraceae.

Botanical name: 

Name: Oenothéra biénnis L. (= Onagra biennis Scop.). Gemeine Nachtkerze, Rapontika Gelbe Rapunzel, Nachtschlüsselblume, Weinblume, Weinkraut. Französisch: Onagre, herbe aux ânes, jambon des jardiniers; englisch: Evening primrose, tree primrose, broad leaved Oenothera; italienisch: Blattaria virginiana; dänisch: Natlys; norwegisch: Nattlys; polnisch: Wiesiolek; russisch: Oslinnik; schwedisch: Gulltrav; tschechisch: Pupalka obecná; ungarisch: Ligetéke.

Weiteres Vorkommen: Vorderasien, Ostasien, Nordamerika bis Mexiko.

Namensursprung: Der bei Theophrast und Dioskurides für unser heutiges Epilobium hirsutum gebrauchte Gattungsname Oenothera leitet sich vom griechischen ο_νος (oínos) = Wein und θ_ρ (ther) = wildes Tier ab, weil die Wurzel nach der Behauptung der Alten nach Wein riechen und die mit Wein besprengte Pflanze jedes wilde Tier zähmen sollte; biennis bezeichnet die Pflanze als zweijährig. Nachtkerze in bezug auf die Blüten, die nachts geöffnet sind.

Volkstümliche Bezeichnungen: Die stattliche, gelbblühende Pflanze heißt Stolzer Heinrich (Nassau), Härekrut (Nahegebiet), Gelber Nachtschatten (Anhalt), Tag- und Nachtblume, die Blumen öffnen sich gegen Abend und duften stark (Baden), Eierblume (Glatz). Auf die (frühere) Verwendung zu Speisezwecken weisen Schinkenwurz, Roter Sellerie, Rübenwurzel.

Botanisches: Oenothera ist eine zweijährige Pflanze, die im ersten Jahre aus einer fleischigen, eßbaren Pfahlwurzel (Rapontika) eine Blattrosette treibt, die aus länglichen, verkehrt-eiförmigen Blättern besteht. Im 2. Jahre wächst ein aufrechter, höchstens im oberen Teile ästiger Stengel bis zu 1 m Höhe. Er ist dicht beblättert mit wechselständigen, kurzgestielten, meist länglich-lanzettlichen Blättern mit gezähneltem Rande. An seinem oberen Ende trägt er eine später verlängerte, reichblütige Traube großer, wohlriechender, hell goldgelber Blüten. Auf dem unterständigen Fruchtknoten sitzt eine lange Kelchröhre mit langen, schmalen, zurückgeschlagenen Kelchzipfeln. Die vier Kronenblätter sind rundlich-verkehrteiförmig. Die acht Staubgefäße sind etwas kürzer als die Kronenblätter. Die Frucht ist eine aufrechte Kapsel, die von der Spitze her aufspringt.

Bemerkenswert sind die blütenbiologischen Einrichtungen: Die Blüten öffnen sich gegen 18 Uhr. Dabei öffnen sich auch die Staubbeutel, während die Narbe noch geschlossen bleibt. Am Tage schließen sich die Blüten mehr oder weniger vollkommen, um sich erst in der zweiten Nacht wieder zu öffnen. Jetzt sind die Staubbeutel verwelkt und die vier Narbenlappen spreizen auseinander. Langrüsselige Abend- und Nachtschmetterlinge sind die Bestäuber. Heimat: Nordamerika. Blütezeit: Juni bis September. Jetzt ist die Pflanze auch in Europa an Wegen und Ufern, auf Dämmen, Sandfeldern und wüsten Plätzen gesellig und meist nicht selten anzutreffen.

Geschichtliches und Allgemeines:

Oenothera biennis stammt ursprünglich aus Nordamerika und gelangte 1614 nach Europa, wo sie als Zierpflanze, aber auch als Küchengewächs bald größere Verbreitung fand. C. Bauhin führte sie unter den Namen Lysimachia corniculata und Onagra latifolia auf. Die Wurzel wurde als Gemüse zubereitet oder in dünnen Scheiben als Salat (Schinkensalat, da der Geschmack dem des gekochten Schinkens ähnelt) gegessen. Nach Wilhelms "Unterhaltungen aus der Naturgeschichte" (1811) sagt ein altes "Sprüchwort" von der Wurzel, daß ein Pfund davon mehr Kraft gebe als ein Zentner Ochsenfleisch. Besonders viel wurde die Oenothera biennis in Ost- und Westpreußen früher zu Heilzwecken und zur Verwertung als Gemüse angebaut.

Wirkung

Blatt und Wurzel werden von der Volksmedizin als auflösendes und blutreinigendes Mittel verwandt (Dragendorff, Die Heilpfl. d. versch. Völker u. Zeiten, S. 482.).

In der Homöopathie wird Oenothera biennis als wirksames Antidiarrhoikum gebraucht (Farrington, Klinische Arzneimittell., S. 360; Heinigke, Handb. der hom. Arzneiwirkungsl., S. 475.).

In den Blättern fanden sich: Phytosterin, wahrscheinlich Cerylalkohol, Paraffin, Harz, Phlobaphene, Gerbstoffe, Invertzucker, Pentosane, Invertase, Schleim u. a. Phytosterin ist auch in den Blüten enthalten neben einem gelben Farbstoff u. a. (Wehmer, Die Pflanzenstoffe, S. 864.).

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Oenothera biennis wird gelobt bei erschöpfender, wäßriger Diarrhöe, insbesondere Schwangerer, und Cholera infantum. Bei chronischer Diarrhöe mit unbekannter Ursache verordnet Pöller, Gevelsberg, Oenothera D 1 (viermal täglich 5 Tropfen) im Wechsel mit Teucrium scorod. "Teep" (dreimal täglich 1 Tablette).

Angewandter Pflanzenteil:

Geiger kennt die Verwendung der Wurzel, Dragendorff auch die der Blätter.

Die frische, zur Zeit der beginnenden Blüte gesammelte Pflanze ohne Wurzel nennt das HAB. (§ 2), ebenso Heinigke, Clarke und die amerikanische Homöopathische Pharmakopöe.

Auch Ferd. Müller bezeichnet Blätter und Wurzel als heilkräftig.

Das "Teep" wird aus der frischen Pflanze mit Wurzel zu Beginn der Blüte gewonnen.

Sammelzeit: Juni bis Juli.

Dosierung:

Übliche Dosis:
1 Tablette der Frischpflanzenverreibung "Teep" drei- bis viermal täglich.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Oenotherae biennis.)

In der Homöopathie:

Ø bis dil. D 1.

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.