Imperatoria ostruthium. Meisterwurz. Umbelliferae.

Botanical name: 

Name: Imperatória ostrúthium L. (= Peucedanum ostruthium (L.) Koch = Selinum ostruthium Wallr., = S. Imperatoria Crantz 1767, Peucedanum imperatoria Endlicher 1842 [teste Wohlfarth], = Imperatoria maior Lam. 1779, = Angelica officinalis Bernh. 1800 nec Moench, = Ostruthium officinale Link 1829). Meisterwurz, Kaiserwurz, Magistranz, Ostruz. Französisch: Impératoire, benjoin des maléfices; englisch: Masterwort, pellitory of Spain; italienisch: Imperatoria, erba rena, elafobosco erba rena; dänisch: Mesterrod; schwedisch: Mästerrot; tschechisch: Všedobr horní ungarisch: Mestergyörkér.

Verbreitungsgebiet: Uerwildert in Island, Jrland, Schott land, Südschweden, Südrußland, Neufundland.

Namensursprung: Der zuerst bei den botanischen Klassikern des Mittelalters auftretende Name Imperatoria ist wohl eine Übersetzung der deutschen Bezeichnung Meisterwurz, die auf die vermeintlichen großen Heilkräfte der Pflanze hinwies. Die Herkunft der älteren Bezeichnung Astrenz (h l. Hildegard, Hortus Sanitatis), sowie des mittelalterlichen "Ostruthium" ist nicht ganz klar. Nach einer Erklärung sollen die beiden Namen eine Verstümmelung des mittelalterlichen Astrantia = Sterndolde darstellen, eine andere, allerdings sehr wenig wahrscheinliche, will Ostruthium vom griechischen στρονθ_ς (struthos) = Sperling wegen der einem fliegenden Vogel ähnlichen Blätter herleiten. Der Gattungsname Peucedanum wird meist vom griechischen πε_χη (peúke) = Fichte und δαν_ς (danós) = trocken, saftlos, niedrig (also = kleine Fichte) wegen der Ähnlichkeit der Laubblattabschnitte mit Fichtennadeln, oder weil nach Dioskurides das aus der Wurzel (wohl von P. officinale) gewonnene, als Heilmittel gebrauchte Harz dem Fichtenharz gleiche, abgeleitet.

Botanisches: Die ausdauernde Pflanze mit mehrköpfigem Wurzelstock ist ursprünglich in den bayrischen Alpen heimisch. Heute ist sie in fast allen Gebirgen Europas anzutreffen. Sie bevorzugt Kalk und Urgestein und solche Orte, die durch lange lagernden Schnee, durch langsame Wasserverdunstung und geringe Erwärmung eine kurze Vegetationszeit aufweisen, dabei aber reich an Mineralien und gut durchlüftet sind. Der röhrig hohle Stengel wird bis zu 100 cm hoch. Ihre unteren Laubblätter sind öfters doppelt dreizählig, die Blattachselscheiden häufig aufgeblasen. Die kleinen weißen oder rötlichen Blüten zu großen fünfzigstrahligen Dolden angeordnet. Blütezeit: Juli bis August.

Geschichtliches und Allgemeines:

Die Meisterwurz war den antiken Schriftstellern nicht bekannt, was sich auch schon durch das Fehlen der Pflanze in Griechenland erklären läßt. Mit Sicherheit können wir sie erst in den Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts erkennen. Allerdings erwähnte schon im 10. Jahrhundert der französische Arzt Macer Floridus eine Pflanze "struthion, ostrutium" gegen Gelbsucht und andere Leberkrankheiten, Steinbeschwerden, Blutspeien, Aussatz usw., jedoch kann diese auch auf eine andere Pflanze gedeutet werden. Leonhart Fuchs (16. Jahrhundert) nannte die Pflanze Laserpitium germanicum und schrieb ihr alle Heilkräfte des römischen Silphiums zu. Ryffius (1573) bringt in seiner "Reformierte Deutsche Apothek" eine längere Beschreibung der Herstellung verschiedener Präparate aus der Pflanze. Meisterwurz, Angelica und Levisticum waren Bestandteile des Spiritus carminativus Sylvii. Mit Vorliebe wurde die Pflanze gegen pestartige, ansteckende Krankheiten gebraucht. Wolff (Scrutinium Amuletorum medicum, 1690) empfiehlt die zerschnittene, an Daumen und Zehen gebundene Wurzel gegen Epilepsie. Nach H. Bock wurde sie auch in der Tierheilkunde häufig gebraucht, und zwar als Mittel bei Koliken und Blähungen.

Viele der Anwendungsarten sind von der Volksheilkunde bis heute übernommen worden. Besonders beim Alpenvolk steht die Pflanze und der aus ihr gebraute Schnaps in großem Ansehen. Die zerschnittene Wurzel gilt als wirksames Mittel gegen Leibschmerzen von Mensch und Vieh. Die Blätter werden auf eiternde Wunden gelegt. In verschiedenen Gegenden wird die Meisterwurz gegen Zahnschmerzen gebraucht. Im Maderanertal (Schweiz) schneidet man sie in kleine Stückchen und hängt die daraus verfertigte Kette den Kindern um den Hals, um das Zahnen zu erleichtern. In St. Gallen werden die gleichen Ketten auch gegen Augenkrankheiten getragen. Unter das Kinn gebunden, sollen sie Nasenbluten stillen. Die Droge schmeckt beim Kauen aromatisch feurig und ruft eine starke Salivation hervor.

Wirkung

Paracelsus (Paracelsus Sämtl. Werke, Bd. 1, S. 726, Bd. 2, S. 481, 615, Bd. 3, S. 198, 465, 546, 565.) verordnet Imperatoria häufig als Prophylaktikum gegen Infektionen (unsichere Wirkung! Verf.), Antidot bei Spinnengiften, gegen Tuberkulose, Tympanites und Würmer.

Die alten Kräuterbücher sind über die Meisterwurz alle des Lobes voll; Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 302.) nennt sie "der fürnemsten Kräuter eins" und rühmt sie wie auch Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 160.), Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 269.) und Weinmann (Weinmann, Phytanthoza iconographia, Regensburg 1742, Bd. III, S. 170.) gegen Fieber auch Intermittens, als Expektorans, Diuretikum, Emmenagogum, Diaphoretikum, Aphrodisiakum, Stomachikum, gegen Vergiftungen, Ischias, Harn- und Nierenstein; äußerlich soll sie Geschwülste zerteilen und faules Fleisch verzehren.

Auch die alte Württembergische Pharmakopöe bezeichnet sie als Diuretikum.

Die aphrodisierende Wirkung führt auch Osiander (Osiander, Volksarzneymittel, S. 328.) an.

In Hufelands (Hufelands Journal, Bd. 41, IV., S. 26.) Schriften findet sich auch ein Hinweis auf die Heilkraft der Meisterwurz bei Nervenfiebern von Thilenius.

Schulz (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 235.) nennt als Indikationen chronischen Magen- und Bronchialkatarrh, Fieber; bei Delirium tremens soll sie beruhigend und schlafbringend gewirkt haben.

Wegen aller dieser guten Eigenschaften erhielt die Meisterwurz den Ehrennamen "Remedium divinum" (Aschner, Krise d. Medizin, S. 120.).

Aschner (Vgl. 8.) verordnet sie auch bei Arthritis urica und als Blutreinigungsmittel.

Die Homöopathie gebraucht sie gegen Magenleiden mit Wärmegefühl im Magen und Hautleiden (Heinigke, Handb. d. hom. Arzneiwirkungsl., S. 318; Clarke, A Dict. of pract. Mat. Med., Bd. II, S. 18.).

Als Inhaltsstoffe werden u. a. angeführt: Oxypeucedanin, Ostruthin, Ostruthol, Osthol sowie sekundär Umbelliferon, 0,2% ätherisches Öl (Wehmer, Die Pflanzenstoffe, II, 1931, S. 893.).

Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):

Steiermark: Gegen Diarrhöe.

Ungarn: Gegen Epilepsie.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Die bei den alten Ärzten als Universalmittel gepriesene Meisterwurz hat auch heute kein einheitliches Indikationsgebiet. Im Vordergrund steht die diuretische und diaphoretische Wirkung. Indiziert erscheint sie vor allem bei Auftreten von zähem Schleim und Stauungen. Im einzelnen verordnet man sie bei: Bronchialkatarrh, Asthma bronchiale (hier "Teep" D 2 im Wechsel mit Santa Flora), Schnupfen, Arteriosklerose, und als Vorbeugungsmittel bei Apoplexie; weiter bei Gicht, Rheuma, Hüftgelenkentzündung, chronischem Milztumor, auch als Folge von Wechselfieber und bei Drüsenentzündung.

Nicht selten wird sie auch als Fiebermittel und Stomachikum (Blähungen, Diarrhöe, Magenkrampf und bei Uteruskrämpfen, Dysmenorrhöe und Amenorrhöe genannt.

Schließlich wird sie noch als Blutreinigungsmittel bei Vergiftungen nach Bißwunden, chronischen Eiterungen, üblem Mundgeruch, bei Gallensteinen, epileptischen Anfällen, Nervenüberreizung, Schlaflosigkeit und von Wittlich gegen Diabetes mellitus und Heufieber in Pulvern zu 0,2-2 g angewandt.

In der Tierheilkunde wird das Mittel gegen Maul- und Klauenseuche vom Volke angewendet.

Einheitliche Wechselmittel werden nicht genannt.

Angewandter Pflanzenteil:

Es sind nur die mittelalterlichen Kräuterbücher, die außer der Verwendung der Wurzel auch die von Kraut und Samen erwähnen. Alle späteren Autoren nennen nur die Wurzel als verwendet.

Das HAB. läßt frische Wurzeln verwenden (§ 3), die auch zur Gewinnung des "Teep" benutzt werden.

Dosierung:

Übliche Dosis:0,5-2 g des Wurzelpulvers mehrmals täglich (Hager);

1 Teelöffel voll (= 4,5 g) der Wurzel zum kalten Auszug täglich.
½ Teelöffel voll der Frischpflanzenverreibung "Teep" dreimal täglich.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt.)

Maximaldosis:Nicht festgesetzt.

Rezepte:

Bei Bronchitis und als Stomachikum:

Rp.:
Rad. Imperatoriae ostruthii 50,0 (= Meisterwurz)
D.s.: 1 Teelöffel voll mit 2 Glas Wasser kalt ansetzen, 8 Stunden ziehen lassen und tagsüber trinken.
(Teezubereitung: Der im Verhältnis 1 : 10 heiß hergestellte Tee hat einen Extraktgehalt von 2,1% gegenüber 2,3% bei kalter Zubereitung. Der Aschengehalt des Extraktes beträgt 0,23% bei heißer und 0,20% bei kalter Zubereitung. Die Peroxydasereaktion ist nur in der kalten Zubereitung positiv. Geschmacklich scheint der heiß bereitete Tee eine Spur stärker zu sein. Ein im Verhältnis 1 : 50 bereiteter Tee ist eben noch trinkbar.
1 Teelöffel voll wiegt etwa 4,5 g. Auf Grund dieser Ergebnisse empfiehlt es sich, den Tee kalt unter Verwendung von etwa ½ Teelöffel voll auf 1 Teeglas anzusetzen.).
Rezepturpreis ad chart. etwa 1.03 RM.

Bei Blutvergiftung:Meisterwurzsalbe (nach Künzle):

Rp.:
Rad. et fol. Imperatoriae pulv. . . . 20,0
Ol. Olivarum q. s. ut f. unguentum.
D.s.: Mehrmals täglich auf die entzündete Stelle legen.
Rezepturpreis ad oll. tect. etwa 1.12 RM.

Als Kolikendämpfungsmittel bei drastischen Abführtees (nach Kroeber):

Rp.:
Fruct. Anisi (= Anisfrüchte)
Tub. Jalapae . . . aa 5,0 (= Jalapaknollen)
Rad. Inulae helen. (= Alantwurzel)
Ligni Sassafras (= Fenchelholz)
Bacc. Juniperi . . . aa 10,0 (= Wacholderbeeren)
Ligni Guajaci (= Pockholz)
Rad. Imperatoriae (= Meisterwurz)
Fol. Sennae . . . aa 20,0 (= Sennesblätter)
M.f. species.
D.s.: Von der Abkochung früh und abends 1 Tasse warm trinken.
Zubereitungsvorschlag des Verfassers: 1 ½ Teelöffel voll auf 2 Glas Wasser, vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.
Rezepturpreis ad chart. etwa 1.28 RM.

Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.